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Freitag, 06.07.2007 | 19:00 Uhr

AUSSTELLUNG - ERÖFFNUNGHerman Seidl TIREZ "Tour de France"Fotografie, Film und Projektion

„Der Fotograf versucht st

1987 reiste ich zum erstenmal nach Frankreich, um die Tour de France zu fotografieren. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Tour bereits von dem Mythos, der sich um sie gebildet hatte und der sie zu einer der größten Sportveranstaltung der Welt gemacht hatte. Ich war fasziniert von den enormen menschlichen Leistungen der Radrennfahrer - 4000 Kilometer in drei Wochen!

Nach meiner ersten Tour-Teilnahme hatte ich aber auch begriffen, dass dieses Ereignis nicht bloß ein sportliches Ereignis ist, sondern eine phänomenale Beschreibung des Lebens an sich.

Ab Mitte der neunziger Jahre war es jedoch für mich offensichtlich, dass ein Radrennen wie die Tour de France nichts mit sportlicher Ethik zu tun hat. Jene gewinnen, die cleverer sind und mit den besten Ärzten kooperieren, um ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern...

 

Seit Jahren liegt mein Interesse nicht mehr darin, möglichst „objektive“ Abbilder aufzuspüren: nicht nur fotografischer Chronist der Tour-Gesellschaft zu sein, sondern im Sinne des Autorenfotografen individuelle, sehr persönliche Erfahrungen und Erkenntnisse zu vermitteln. Deshalb wandte sich in dieser Zeit meine Aufmerksamkeit mehr und mehr vom sportlichen Ereignis hin zu dem, was die Tour de France für mich nun darstellt: ein Stück französischer Geschichte, ein sich durch Frankreich drehendes karnevaleskes Schauspiel, das Landschaften, Dörfer, Städte, Berge in „bruegelsche“ Bilder verwandelt. Diese nur für kurze Zeit, ja oft nur für Minuten oder Sekunden existierenden Bilder des Wartens und der Freude (der Zuschauer) festzuhalten, gilt mein Interesse.

 

Eine weitere Motivation für meine Fotoarbeiten zur Tour de France ist die Faszination der Menschenmasse. Nach Auffassung des französischen Philosophen Gustave Le Bon verliert der einzelne in der „Masse“ seine Kritikfähigkeit, sein Verhalten wird primitiv-barbarisch; der einzelne ist leichtgläubiger und unterliegt der psychischen Ansteckung. Somit ist die Masse von Führern (Politik, Kirche, Medien) leicht zu lenken. Die Tour de France ist zweifellos ein Musterbeispiel für diese Theorie.

Millionen von Menschen unterschiedlicher Schichten und Altersklassen formieren sich Jahr für Jahr im Juli entlang des Parcours zu enthusiastischen Teilnehmern eines „epischen Schauspiels“. Deren Habitus und Befindlichkeit ist nunmehr der Hauptgegenstand meiner fotografischen Arbeit. Herman Seidl

 

„Tour de France“ ist bis 19. August (Fr, Sa, So und am 15. August von 15 - 18 Uhr sowie nach telefonischer Anmeldung) geöffnet.

 

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